Gothaer: optimierte Versicherungsbedingungen
für die fondsgebundene Risikoversicherung „Gothaer Perikon“.
Hintergrund
Das Traditionsunternehmen Gothaer Lebensversicherung AG mit Hauptsitz in Köln ergänzt kontinuierlich sein breites Portfolio an Versicherungsleistungen: So bietet das Unternehmen seit 2005 ein neues Produkt auf dem deutschen Markt an – „Gothaer Perikon“. Perikon ist eine fondsgebundene Risikoversicherung, die im Fall von schweren Krankheiten die Betroffenen und im Todesfall auch Hinterbliebene absichert („Dread Disease“).
Das Thema „Schwere Krankheiten“ erfordert eine möglichst große Sensibilität bei der Aufklärung der Versicherten. Dazu gehört auch, dass die Versicherten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in ihrer gesamten Tragweite verstehen und alle Informationen sicher finden. Deshalb hat sich die Gothaer entschieden, die Perikon-AVB grundlegend auf Verständlichkeit zu optimieren und durch den TÜV Saarland zertifizieren zu lassen.
Das Prüfverfahren des TÜV umfasst zwei Aspekte: erstens die formale Bewertung des Textes durch die Sprach-Software TextLab des Communication Labs. Dabei werden die Perikon-AVB mit über 40 statistischen Kennzahlen bewertet und mit thematisch ähnlichen AVB anderer Versicherer verglichen. Zudem wird ein Anwendertest durchgeführt. Mit diesem sogenannten Readability User Test (RUT) wird überprüft, ob die Zielgruppe die Inhalte verstehen kann. Dabei beantworten Test-Leser konkrete Fragen zum Text – sowohl zum Inhalt als auch zur Auffindbarkeit von Informationen.
Herausforderung
Eine Dread-Disease-Absicherung wie Gothaer Perikon ist ein komplexes Produkt. Die AVB sind deshalb ein komplexer Text mit zahlreichen wichtigen fachlichen Beschreibungen in einer juristischen und medizinischen Fachsprache.
Je komplexer ein Produkt, desto wichtiger ist es, dass es möglichst einfach beschrieben ist. Kunden müssen die wichtigen Informationen nicht nur verstehen, sondern auch schnell finden können.
Die AVB richten sich aber nicht nur an Kunden. Sie sind auch wichtig für Juristen, Ärzte und nicht zuletzt für den Rückversicherer der Gothaer. All diese Zielgruppen haben ein sehr unterschiedliches Fachwissen, dem die AVB gerecht werden müssen.
Wie kann der Text trotz dieser Hürden noch weiter verbessert werden, damit die Verständlichkeit signifikant steigt?
Projekt
Um die Projekt-Ziele zu erreichen, beauftragte die Gothaer das Communication Lab. Das Team setzte sich aus Experten für Verständlichkeit und Spezialisten für Medical Writing zusammen. Das Team auf Seiten der Gothaer bestand aus Spezialisten, Mathematikern, Medizinern und Juristen.
Der erste Schritt war es, den AVB eine neue Struktur zu geben, um die Auffindbarkeit von Informationen zu verbessern. Dazu identifizierte das Team gemeinsam bestimmte Passagen, die im Text getrennt voneinander standen, aber inhaltlich zueinander gehörten. Dieses Vorgehen machte auch einen neuen Aufbau des Inhaltsverzeichnisses notwendig.
Auch der spezielle medizinische Teil der AVB wurde grundlegend neu strukturiert, um die medizinische Fachsprache für Laien zugänglicher zu machen.
Die Sprach-Spezialisten erarbeiteten anschließend neue Texte für den allgemeinen und den medizinischen Teil der AVB. Der Schwerpunkt der Optimierung lag darauf, die Satzlängen zu reduzieren, eine einfachere Sprache zu verwenden sowie die Abstraktheit deutlich zu reduzieren. Der Text sollte so konkret wie möglich sein und an einzelnen Stellen durch nachvollziehbare Beispiele verständlicher gestaltet werden.
Gemeinsam legte das Team auch eine Strategie fest, wie am besten mit Fachbegriffen umgegangen werden sollte: Fachbegriffe sind in den AVB oft unverzichtbar, aber für Laien zumeist nicht verständlich. Deshalb erarbeitete das Team einen Anhang „Erklärung wichtiger Fachbegriffe (Glossar)“. Für die medizinischen Fachbegriffe wurde die Strategie definiert, wenn möglich zusätzlich zum Fachbegriff einen umgangssprachlichen Begriff im Text zu nennen. Dabei wird zunächst der
umgangssprachliche Begriff genannt und anschließend der Fachbegriff in Klammern gesetzt.
Am Ende des Prozesses wurden dann die überarbeiteten AVB mit Nutzern aus der Zielgruppe überprüft. Im sogenannten Readability User Test (RUT) beantworteten 15 Teilnehmer mit unterschiedlichem Bildungshintergrund, aus unterschiedlichen Altersgruppen und mit unterschiedlichen Berufen Fragen zu den AVB: Dazu erhielten sie einen Fragebogen mit 10 Fragen zum Inhalt und 5 Fragen zur subjektiven Wahrnehmung des Textes. Ziel war es, mit den Nutzern gemeinsam letzte Barrieren zu identifizieren.
Projekt-Ziele
Prozess
Prüfung der AVB durch Sprachwissenschaftler und Kommentierung aller potenziellen Barrieren
Überarbeitung der AVB durch die Gothaer
Erste formale Analyse mit der Sprach-Software TextLab
Erster Readability User Test
Sprachliche Überarbeitung der AVB durch das Communication Lab basierend auf den Test-Ergebnissen
Finale Analyse mit der Sprach-Software TextLab
Zweiter Readability User Test
Freigabe durch die Gothaer und den Rückversicherer
Zertifizierung durch den TÜV Saarland mit der Note „sehr gut“
Erfolg
Ein Wert von über 12 Punkten auf der Skala weist auf einen Text hin, der in weiten Teilen verständlich ist. Dies entspricht beispielsweise der Berichterstattung in Print-Medien, der Kommunikation in Briefen oder auch Broschüren.
Auch im Anwendertest (Readability User Test, RUT) erreichte die Gothaer die Ziele der Optimierung: Die Teilnehmer haben 93,33 % der abgefragten Informationen gut gefunden. 96 % der gelesenen Informationen wurden verstanden oder gut verstanden. Damit erfüllt der Text die definierten Erfolgskriterien von 80 % Verständlichkeit und Auffindbarkeit. Mit einer Gesamt-Wertung von über 90 % gilt er sogar als sehr gut lesbar.
Der TÜV Saarland als anerkannte neutrale Stelle hat die Verständlichkeit der neuen AVB mit der Note „sehr gut“ und dem Textverständlichkeitssiegel bescheinigt.
Die Gothaer hat schließlich in Rücksprache mit Juristen, Medizinern und dem Rückversicherer die finalen optimierten AVB freigegeben.
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für diese Fallstudie
Oliver Haug
Geschäftsführer, Spezialist für Corporate Language
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